Insight Community: Die Zielgruppen im Netz treffen
Eine qualitative Forschungsmethode mit viel Potenzial: Insight Communities ergänzen das Methodenportfolio der qualitativen Markt- und Sozialforschung. Daraus ergeben sich viele Chancen für Gewinnung spannender Ergebnisse!
Bei einer Insight Community – die auch moderierte Research Online Community (MROC) genannt wird – handelt es sich um eine Gruppe von Personen, die zuvor ausgewählt wurde und die über einen längeren Zeitraum hinweg online an einem moderierten Forschungsprozess teilnimmt. Auf der Plattform der Insight Community können sich die Teilnehmer in der Gruppe austauschen, etwa in Foren, Blogs oder Chats. Sie können Aufgaben auch alleine bearbeiten oder ihre Ansichten in projektiven und kreativen Formen zum Ausdruck bringen.
Für welche Zielgruppen ist eine Insight Community geeignet?
Vor allem bieten sich Communities für Personen an, die ohnehin aktiv im Netz unterwegs sind. Ihnen geht die Kommunikation online leicht von der Hand. Sie machen sich den kommunikativen Raum, den etwa Foren bieten, gerne zu eigen und haben Freude daran, sich mit anderen auf diese Weise auszutauschen.
Etwas schwieriger ist es bei denjenigen, die bislang in der Internet-Kommunikation zurückhaltender oder unerfahren sind. In diesem Falle ist etwas mehr Anleitung notwendig sowie eine sensible Moderation, die den Beteiligten die Ängste nimmt und sie gleichzeitig nicht dumm aussehen lässt. Nach einer zögerlichen Einstiegsphase beteiligen sich dann oft auch Zielgruppen, von denen man es gar nicht gedacht hätte. Ältere über 60 Jahre zählen oft dazu. Grundkenntnisse im Umgang mit dem Internet sollten allerdings schon vorher vorhanden sein
Für welche Themen ist eine Insight Community sinnvoll?
Da Insight Communities einige Wochen dauern können, sind sie besonders spannend, um Einstellungen und Verhalten in ihrer zeitlichen Entwicklung zu untersuchen. Das betrifft etwa die Erforschung von Kaufentscheidungsprozessen im Rahmen der Marktforschung, die Untersuchung von Einstellungsveränderungen in der Sozialforschung oder die Gestaltung von Innovationsprozessen.
Gerade bei Themen, über die sich viele im Alltag eher wenig Gedanken machen (z. B. bei Umweltschutz), kann man feststellen, wie sich die Sensibilität verändert und welche Faktoren Einstellungsänderungen bewirken können.
Zu der Vielfalt der Themen, die in moderierten Research Online Communities bearbeitet werden können, kommt die Vielfalt der Medien, die eingesetzt werden können. Filme, Fotos, Tagebücher, Collagen – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Das Forschungsthema kann mit weit mehr als nur Texten ausgelotet werden.
Wie kommunizieren die Teilnehmer?
In einer Insight Community lassen sich – wie im wirklichen Leben auch – ganz unterschiedliche Kommunikationsstile beobachten. Manche Teilnehmer bringen sich sehr aktiv ein und brennen regelrecht auf Kommentare der anderen. Sie sind dann manchmal enttäuscht, wenn ihre Beiträge nicht die gewünschte Resonanz finden. Unerfahrene Teilnehmer warten oft eher ab, wie sich alles entwickelt. Andere kommunizieren im Stil von „Verlautbarungen“. Bei Gruppenaufgaben sagen sie so ihre Meinung, interagieren aber eher wenig mit anderen Teilnehmenden.
Sinnvoll ist es, in der Community einen Aufgaben-Mix zu planen, der unterschiedlichen kommunikativen Vorlieben und Fähigkeiten der Befragten gerecht wird. Idealerweise sollte jede und jeder eine Form finden, in der er oder sie sich gut ausdrücken kann. Dies kann in Foren oder bei Einzelaufgaben sein, bei sachbezogenen Diskussionen oder bei kreativen Aufgaben.
Was tun bei unangemessenem Verhalten?
Wie auch bei Fokusgruppen stellen störende Teilnehmer oder eskalierende Interaktionen eine besondere Herausforderung dar. Wie geht man mit aggressiven oder verletzenden Äußerungen von Teilnehmern um? Wie schützt und stärkt man Teilnehmer, die ungewöhnliche Ansichten vertreten? Wie schafft man eine für alle produktive und anregende Atmosphäre?
Eine verbindliche, motivierende und wertschätzende Kommunikation von Seiten der Moderatoren ist Voraussetzung für den guten Verlauf einer Community. Die Kommunikation sollte auf Augenhöhe stattfinden, ohne Autoritätsgebaren und ohne künstliche Distanz zu den „Probanden“. Sollte sich ein Teilnehmer einmal nicht korrekt verhalten, so kann er oder sie in der Zweier-Kommunikation („flüstern“) vorsichtig darauf angesprochen werden. Die meisten sind dann schnell einsichtig.
Welche Vorteile hat eine Insight Community gegenüber anderen qualitativen Methoden?
Ein großer Vorteil gegenüber Gruppendiskussionen oder Tiefeninterviews ist die räumliche und zeitliche Flexibilität bei Online Communities. Die Teilnehmer können sich an der Community dann beteiligen, wenn sie Zeit haben. Sie sind nicht darauf angewiesen, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort einzutreffen.
Ein weiterer Vorteil der online-gestützten Methoden ist die Dokumentation der Ergebnisse. Alle Forenbeiträge und bearbeiteten Aufgaben werden direkt festgehalten, so dass aufwendige Arbeiten wie Transkriptionen usw. entbehrlich sind. Dies bedeutet auch, dass man sehr schnell sehr viel Material bekommt. Dies stellt besondere Herausforderungen an die Analyse.
Für Insight Communities ist manchmal sinnvoll, wenn sich die Teilnehmenden vorher schon kennengelernt haben und mit einem „Nickname“ ein Gesicht verbinden können. Dies fördert das Vertrauen in der Community und die Bereitschaft zur Offenheit. Deshalb kann ein Methoden-Mix aus online und offline sehr sinnvoll sein. Wie haben gute Erfahrungen gemacht mit kurzen Fokusgruppen als Kick-off, deren Teilnehmer dann in eine Insight Community eingeladen werden.
Fazit: Ein Versuch lohnt sich
In der Marktforschung haben Insight Communities ihrem Platz schon erobert. Es stehen professionelle Online-Plattformen bereit, so dass man sich als Moderator ganz auf seine Aufgabe konzentrieren kann. Und dann merkt man schnell, dass es (meistens) auch Spaß macht – den Moderierenden ebenso wie auch den Befragten!